LEAN SIX SIGMA 30 JAHRE SPÄTER, IMMER NOCH MODERN?
Wie kommt es, dass diese alte Methode immer noch aktuell ist? Die Frage wurde während eines Vortrages vor Studierenden aufgeworfen. Das Thema des Vortrages an der Hochschule war „Zweck und Anwendungsbereich von Lean Six Sigma“. Der Studierende sagte weiter, dass die Frage von seinem Vater kam, der sich überrascht von den heutigen Vortragsthemen an der Universität.
Warum wird eine Methode aus den 90er Jahren heute noch angewendet – in Zeiten der Digitalisierung und nach Jahren des Fortschreitens der Automatisierung von Prozessen?
Prozessanforderungen ändern sich ständig!
Die Notwendigkeit von evolutionären oder revolutionären Veränderungen in Geschäftsprozessen ergeben sich unter anderem aus der Geschäftsentwicklung des Unternehmens – so z.B. der Verkauf oder Zukauf von Unternehmensteilen oder Geschäftseinheiten, die Erweiterung der Märkte in andere Länder oder Kontinenten, die Auslagerung von Komponenten oder Dienstleistungen an Zulieferern oder die Entwicklung neuer Produkte. Mit diesen „intern“ angestoßenen Triggern muss der Geschäftsprozess – sei es ein Fertigungsprozess oder ein Auftragsmanagement – Schritt halten.
Ein Beispiel kommt aus der eigenen Beratungspraxis. Ein mittelständisches Unternehmen wurde von einem multinationalen Konzern gekauft. Innerhalb eines Zeitraumes von ca. 4 Jahren mussten die Prozesse umfassende Veränderungen durchlaufen: Einbindung in Konzern, Standardisierung der Prozesse nach Konzern-Vorgaben, Neueinführung des Konzern IT-Systems, Anpassung der Produktpalette und Fertigungs-Portfolio, Einführung des neuen Hauptproduktes, Verlagerung eines Produktionsstandortes, Aufbau neuer Fertigungslinien, und noch vieles mehr.
All diese Punkte bedeuteten zum einen immensen zeitlichen und ressourcen-intensiven Aufwand und für die beteiligten Mitarbeiter und Führungskräfte einen ständigen Anpassungsprozess – neben dem das Geschäft zum Kunden unter keinen Umständen leiden darf.
Was hat das ganze nun mit Lean Six Sigma zu tun? Die Notwendigkeit, entstandene Probleme und Verbesserungsbedarfe unter den geschilderten Rahmenbedingungen zu bearbeiten, ist maßgeblich für das Überleben des Unternehmens – und Lean Six Sigma bringt mit seinem standardisierten Projektvorgehen (DMAIC), der evidenz-basierten Entscheidungen (Datenauswertung und Statistik) und einer umfangreichen Werkzeugkiste genau die Voraussetzungen mit, um die Projekte innerhalb der vorgegebenen Zeit und innerhalb des Budgets abzuschließen.
Lean Six Sigma passt (fast) immer!
Lean Six Sigma bietet eine breite Vielfalt an Vorgehensweisen und Methoden und findet so fast immer eine Passung zu den identifizierten Verbesserungsbedarfen in der Praxis. Neben dem klassischen DMAIC-Vorgehen (Define, Measure, Analyze, Improve Control), werden auch weitere Strukturen für die Neudefinition und Einführung von Prozessen genutzt – beispielsweise die Projektphasen IDOV (Identify, Design, Optimize, Verify) oder DMEDI (Define, Measure, Explore, Develop, Implement). Diese zusätzlichen Projektstrukturen aus dem Bereich „Design for Six Sigma“ erweitern die Handlungsmöglichkeiten. Und im Bereich Lean Management, in dem das PDCA-Vorgehen maßgeblich ist, wird häufig die A3-Methode genutzt. Alternativ kann die Vorgehensweise des KATA-Coachings für die nachhaltige Lösung von Problemen sein. Im KATA-Coaching werden standardisierte Fragen genutzt, die das Team bei der Lösung von Problemen unterstützen.
Lernprozesse passen Methode an
Ein weiterer Grund für Aktualität des Themas ist die integrierte Anwendung der beiden Methoden Lean Management und Six Sigma. Lean Six Sigma bringt Unternehmen immer noch quantifizierbare Einsparungen und Verbesserungen der Kundenzufriedenheit. Lean und Six Sigma sind heute keine Methoden mehr, die ausschließlich die Qualitätsabteilungen großer Unternehmen betreffen. Vielmehr haben alle Führungskräfte und Mitarbeiter die Verantwortung zur Verbesserung der Zusammenarbeit, Steigerung der Kundenzufriedenheit oder Einsparung von Verschwendungen. Dazu eine systematische Vorgehensweise zu nutzen, die weltweit als Standard anerkannt ist, liegt nahe. Dass in der Anwendung ein Lernprozess stattfindet, der als Ergebnis auch wiederum Anpassungen an Methoden und Vorgehensweisen zulässt, ist eine zeitgemäße Interpretation von Lean Six Sigma. Die Anwendung der Methode in klassischen Herstellungsprozessen oder administrativen Dienstleistungsprozessen darf und muss angepasst werden, um einen größtmöglichen Nutzen für das Unternehmen zu ermöglichen.
Ist Lean Six Sigma nach 30 Jahren immer noch modern?
Durch die umfangreichen Möglichkeiten der Methode Lean Six Sigma können Unternehmen passgenaue Antworten auf die Herausforderungen zu notwendigen Veränderungen in den Geschäftsprozessen wählen. Wenn Lernprozesse die Durchführung von Verbesserungsprojekten und -initiativen begleiten, wird das Unternehmen in der Anwendung besser und besser.
Heute geht es in Unternehmen um Agilität, Industrie 4.0 und Innovationen, diese Konzepte sind ohne Lean Six Sigma nicht denkbar und ergänzen diese wunderbar. Schließlich wurden die neuen Methoden, wie bespielsweise agile Produktentwicklung mit Scrum, aus den Lean-Methoden entwickelt. Es stellt sich auch die Frage, wie ein Prozess digitalisiert werden soll, der im analogen noch nicht beherrscht und komplett verstanden ist.
Die Denkprinzipien aus Lean Six Sigma, z.B. Kunden- und Prozessorientierung, Fehlerkultur und Teamarbeit, sind heute nicht mehr wegzudenken. Wer auf Lean Six Sigma verzichtet, hat klare Wettbewerbsnachteile und auch heute – 30 Jahre später – ist Lean Six Sigma grundlegend um Abläufe, Verfahren und Prozesse in Unternehmen optimal zu gestalten und kontinuierlich zu verbessern.